Strategien gestalten ... und verankern        

Häppchen-Beispiel mit Fokus "Öffentlicher Sektor"


STRATEGIEN GESTALTEN UND VERANKERN
ressources-Häppchen von Reto Stuber, 28.08.18

Expertenorganisationen verändern: Mission Impossible?
(oder: «Herding Cats»* für Fortgeschrittene»)


Guten Tag Herr/Frau Muster

Beratungs-Unternehmen haben mich beruflich sozialisiert. Heute arbeite ich oft und gerne im Gesundheitswesen und für Hochschulen. Weitere Experten-Hochburgen!

Achtung: Auch in stark arbeitsteiligen und verkaufsorientierten Unternehmen gibt es Experten-Abteilungen mit ähnlichen Herausforderungen.
 
Expertenorganisationen wurden schon vom Henry Mintzberg unter dem Stichwort «professional bureaucracy» eingehend analysiert.
Was macht sie aus? Vier wichtige Charakteristika:

  1. Experten sind hochqualifizierte Mitarbeitende, die sehr autonom und oft nahe am Kunden arbeiten.
  2. Die verbleibende Koordination erfolgt - basierend auf Fähigkeiten und Wissen – meist «automatisch». In Leitungsfunktionen auf Fachebene finden wir typischerweise die besten, glaubwürdigsten Experten. Oft handelt es sich dabei nicht um Führungskräfte, die aus dem Blickwinkel der übergeordneten institutionellen Ziele handeln.
  3. Die Experten haben in Bezug auf Input, Output und Ergebnis ihrer Tätigkeit einen Informationsvorsprung – insbesondere gegenüber der Leitung.
  4. Sinn, Vision und fachliche Ziele stehen im Zentrum. Formale Zielvorgaben und Führungsinstrumenten werden nur dann für legitim befunden,
    wenn sie erstere erkennbar stützen.

Immer wieder positiv erlebe ich die Identifikation und Berufszufriedenheit der Experten – oft verbunden mit einer spezifischen Ethik der Profession
(z.B. «100%ige Verpflichtung auf das Patientenwohl»).
Bei fachlichen Veränderungen im Berufsfeld werden Vorteile von Expertenorganisationen sichtbar: Die Experten stimmen sich rasch untereinander ab, finden akzeptierte Lösungen und setzen diese selber um.

Schwierig wird es bei übergeordnetem strategischem, organisatorischem oder prozessualem Veränderungsbedarf:

  • Oft kollidieren Expertise und gesamtstrategische Ratio (Kosten, Synergien, Prozessoptimierung, Vorgaben). Die Gesamtorganisation mit ihren Zielen wird von den Experten als störend empfunden.
  • Die Kollegialität und zwischen Experten ist oft stärker als die Hierarchie.
  • Der Informationsvorsprung der Experten bewirkt, dass die Führung auf ihre Informationen und Beiträge angewiesen ist. Ohne diese ist jegliche Veränderung blockiert.
  • Was die «natürliche Ordnung» der Fachlichkeit bzw. der Berufsethik potenziell gefährdet, wird torpediert.

Auf den ersten Blick ideal wäre es, Führungspositionen im Expertenumfeld konsequent mit glaubwürdigen Fachpersonen zu besetzen, die auch eine übergeordnete, «technokratische» Führungssicht einnehmen können und die entsprechenden Instrumente gut kennen. Dieser Ansatz kann das Problem zwar temporär entschärfen, aber selten lösen:

  • Diese «Alleskönnerinnen» muss man zuerst finden.
  • Ihre fachliche Akzeptanz wird bei zu viel Führungstätigkeit über die Dauer leiden.
  • In Drucksituationen fallen Manager-Experten oft in die Muster ihrer ursprünglichen Sozialisation zurück.

Der Gegensatz lässt sich also oft nicht einfach «wegrekrutieren». Das Spannungsfeld zwischen der übergeordneten Technokraten- und Führungslogik und der Expertenlogik bleibt.

Welche Lösungsansätze gibt es, wenn z.B. aufgrund eines übergeordneten Auftrags oder einer Problemanalyse des Führungsteams durch die Experten als bedrohlich empfundene Veränderungen unumgänglich werden? Hier – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – fünf Anregungen:

  1. Die Experten-Ethik als Datum akzeptieren. Mehr noch: Sie als wichtig und a priori für die Organisation fördernd verstehen. Nur mit dieser Haltung, welche immer wieder kommuniziert und bestärkt wird, kann ein «Nicht-Experte» erfolgreich agieren, ohne exzessiv von «Punkt 5» Gebrauch zu machen. Dabei geht es nicht um Anbiederung, sondern um Wahrnehmung und echte Wertschätzung!
  2. Aufzeigen, dass es auch ein «Auftrags-, Führungs- und Betriebswirtschafts-Expertentum» gibt, welches eine eigene Legitimität hat. Experten schätzen Experten und Professionalität! Herausfordernd: Da sie oft wissenschaftlich sozialisiert sind, sind sie es gewohnt, mit fachlichen Evidenzen zu argumentieren. Führung und BWL sind aber zu grossen Teilen Erfahrungs-Disziplinen. Neben stringenter Argumentation braucht es also die Kompetenzvermutung. Um diese aufzubauen sind Fragen und Einwände offen anzunehmen und auf Augenhöhe zu beantworten. Der BWL-/Prozess-/ Führungs-Experte legt dabei seine fachliche Autorität in die Wagschale («damit habe ich gute Erfahrungen gemacht», «das braucht es, um den Auftrag erfüllen zu können»). Erwünschtes Ergebnis: Inhaltliche Mitarbeit statt Methodendiskussion.
  3. Transparent aufzeigen wo und wie die Veränderung bei produktiver Mitarbeit durch die Experten das Kerngeschäft und dessen Normen fördern kann. Dabei den Rahmen der Partizipation ehrlich festlegen.
  4. Die verbleibenden Zielkonflikte offen ansprechen und konkretisieren. Wir haben es mit Menschen zu tun, die sich diese Aspekte oft schon in den schrecklichsten Farben ausgemalt haben. So entsteht ja gerade die Blockade. Es geht also darum, dem eine realistische Sicht auf das «Schadensausmass» entgegenzusetzen.
  5. Wo es echte Zielkonflikte gibt (z.B. bei Sparvorhaben) ehrlich die «Auftrags-/Chefkarte» spielen und nicht mit Scheinargumenten versuchen, die Experten zu «übertölpeln» (nochmals: Intelligente, erwachsene Menschen!). Wo notwendig wirksame, starke Ziele setzen, und/oder «Sachzwänge schaffen» (z.B. Projektorganisation), die mit struktureller Macht durchzusetzen sind.

Am Ende geht es darum, einen mündigen Dialog zu etablieren. Nur Arbeit auf Augenhöhe mit gegenseitigem Respekt ermöglicht es, notwendige Entwicklungen nach dem Postulat «1+1=3» zu realisieren.
 
Ich freue mich auf eine Diskussion mit Ihnen zum Thema „wie führen wir unsere Experten“ oder „wie führen wir uns als Experten“!

Mit besten Grüssen 

 


Reto Stuber  

* Prof. Dr. Michael Hengartner im Vortrag «Führung in Hochschulen» («heading a faculty is like herding cats») 

Strategie und Strategieverankerung
für Unternehmen und öffentliche Institutionen
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